Soldatin mit Smartphone am Bahnhof © Jonas Weber/Bundeswehr© Jonas Weber/Bundeswehr

Corona und die Chance für die Digitalisierung in der Bundeswehr

4 min
29. Mai 2020

Corona hat die Welt verändert. Keine Krise hat so in unseren Alltag eingegriffen wie die COVID-19-Pandemie. In allen Bereichen zeigen sich die Auswirkungen: im Privaten, in Staat und Wirtschaft. In kürzester Zeit mussten Unternehmen und Behörden die Art ihrer Zusammenarbeit an die neue Situation anpassen. Der Schlüssel ist Digitalisierung. Das zeigt auch die Bundeswehr.

Die deutschen Streitkräfte sind im Krisenmodus. Über 30.000 Soldatinnen und Soldaten hat die Bundeswehr mobilisiert, um Bund und Länder zu unterstützen, das Corona-Virus einzudämmen. Für sie selber gilt es in der Situation, einsatz- und handlungsfähig zu bleiben. Der entscheidende Faktor dafür war und ist Digitalisierung. Auch wenn sie längst kein Zukunftsthema mehr bei den Streitkräften ist, wirkt Corona hier – wie in der gesamten Gesellschaft – als Katalysator des digitalen Wandels.

Zum Schutz ihres zivilen und militärischen Personals hat auch die Bundeswehr die Arbeit in großen Teilen aus den Dienstzimmern und Kasernen in die heimischen Wohn- und Arbeitszimmer verlegt. Mehr denn je sind ihre Angehörigen auf ein stabiles und sicheres IT-System mit modernen Kollaborationsmöglichkeiten angewiesen. Die vorhandenen Digitallösungen haben dafür gesorgt, dass die deutschen Streitkräfte zu jeder Zeit handlungs- und einsatzfähig waren. Es zeigte sich aber auch Handlungsbedarf. Hierbei kommt es vor allem darauf an, die neuen, gestiegenen Anforderungen an das IT-System der Bundeswehr schnell und flexibel umzusetzen.

Zusammenhalt ist das Gebot der Stunde

Um schnelles Handeln und Teamwork zwischen IT-Dienstleister und Bundeswehr sicherzustellen, haben das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, das Kommando Informationstechnik der Bundeswehr, und die BWI eine gemeinsame Steuergruppe ins Leben gerufen. Eine der größten Herausforderungen war, die Führungs- und Einsatzfähigkeit auch von zu Hause aus sicherzustellen. Schnell war klar: Die Bundeswehr braucht mehr mobile Zugänge zu ihrem IT-System. Das wiederum stellt neue Anforderungen an die Infrastruktur, deren Betrieb und die Menschen dahinter.

Um den Balanceakt zwischen Verfügbarkeit und Belastung der Netze zu bewältigen, hat die BWI verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörte etwa, die Zahl gleichzeitig möglicher Sessions bei Netzübergängen zu verdoppeln und die Gesprächslast neu zu verteilen. Um die Kapazität für die Sprach- und Datenkommunikation im Backbone des Weitverkehrsnetzes zu erhöhen, hat sie im gesamten Bundesgebiet leistungsfähigere Netzwerkkomponenten implementiert oder bestehende erweitert. Die Umsetzung erfolgte zumeist in den Abendstunden, um den Tagesbetrieb nicht einzuschränken.

Eine besondere Herausforderung ist auch das Monitoring, um schnell auf plötzliche Lastspitzen reagieren zu können – ein Fulltime-Job. Diese Aufgabe übernimmt bei der BWI das System Control Center. In täglichen Lagebesprechungen stimmt es sich eng mit dem Betriebszentrum IT-System der Bundeswehr ab.

„Corona zeigt, dass vieles möglich ist, was vorher undenkbar war.“

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung

Neue Anforderungen an mobiles Arbeiten

Da deutlich mehr Soldaten und zivile Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten als noch vor Corona, kam es anfangs zu Kapazitätsengpässen beim mobilen Zugriff auf das IT-System über den Remote Access Service (RAS). Zu den neuen Anforderungen gehörte daher vor allem, die RAS-Serverkapazitäten kurzfristig zu erweitern und so die Anzahl der gleichzeitig möglichen Verbindungen zu erhöhen. Binnen weniger Wochen gelang es, diese zu verdreifachen. Teams der BWI arbeiten nun unter Hochdruck daran, die für den mobilen Zugriff benötigte Hardware zur Verfügung zu stellen.

Daneben lieferte die BWI Mitte April insgesamt 2.000 Notebooks mit Remote Access an COVID-19-Einsatzführungsstellen der Bundeswehr aus. Vier regionale Krisen-Einsatzkommandos verfügen seither über Pools mit je 500 Notebooks, aus denen sie Einsatzkräfte ausstatten, die bei Amtshilfeersuchen im Einsatz sind. Zudem benötigt die Bundeswehr mehr Geräte zur sicheren mobilen Kommunikation. Deshalb arbeitet die BWI derzeit daran, 5.000 zusätzliche Laptops mit VS-NfD-Zulassung („Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch“) auszuliefern.

Im Auftrag der Bundeswehr erprobt die BWI zwei Instant-Messaging-Lösungen für dienstliche und private Mobilgeräte: Matrix und stashcat. Die Open-Source-Lösung „Matrix“ ermöglicht es, auf dienstlichen Smartphones und Tablets offen eingestufte Informationen zu übertragen. Künftig soll der Messenger auch für die Übermittlung von Informationen der Schutzklasse VS-NfD eingesetzt werden sowie auf privaten Endgeräten. Im April hat die BWI den Pilotbetrieb für derzeit bis zu 30.000 dienstliche Mobilfunkgeräte ausgebaut.

Besonderer Fokus auf den Sanitätsdienst

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr unterstützt seit Ausbruch der Corona-Pandemie Bund, Länder und europäische Nachbarn. Hinzu kommen Maßnahmen für das eigene Personal. Alle Fäden laufen im COVID-19-Lagezentrum des Kommandos Sanitätsdienst zusammen. Um die Kapazität des Einsatzführungszentrums zu erhöhen und gleichzeitig Infektionsschutzvorgaben wie empfohlene Mindestabstände für das Personal einhalten zu können, erhöhte die BWI die Anzahl an IT-Arbeitsplätzen, erweiterte die Netzinfrastruktur und unterstützte gemeinsam mit S6-Angehörigen des Kommandos beim Umzug innerhalb der Koblenzer Falckenstein-Kaserne. Um die Kommunikation des Lagezentrums mit den Bundeswehrkrankenhäusern zu erleichtern, stattete die BWI im Auftrag des BAAINBw das Einsatzführungszentrum und alle Kliniken darüber hinaus kurzfristig mit Videokonferenzanlagen aus.

Die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin setzt seit Mitte März Online-Videosprechstunden ein. Um Patienten und Ärzte vor SARS-CoV-2 zu schützen, wurde das vom Cyber Innovation Hub der Bundeswehr entwickelte System, das aus einer speziell gesicherten Online-Plattform sowie mobilen Endgräten besteht, zwei Monate früher als geplant in der Praxis eingesetzt. Ziel des als Sonderforschungsvorhaben im Sanitätsdienst eingeführten Systems ist es, den Arzt-Patienten-Austausch um eine neue, digitale Ebene der Interaktion zu erweitern.

Gemeinsam durch die Krise

Die Beispiele zeigen, welchen Stellenwert Digitalisierung für die Bundeswehr mittlerweile einnimmt. Obwohl sie lange vor Corona den Weg zur digitalen Transformation eingeschlagen hat, waren die Maßnahmen während der Pandemie ein wichtiger Schritt nach vorne – und ein Test: COVID-19 verdeutlicht, dass Bundeswehr und ihr Digitalisierungspartner BWI gemeinsam auch kurzfristige Herausforderungen flexibel und agil stemmen können.

Das könnte Sie auch interessieren:
 

 
Die pCloudBw und ihre Bedeutung für die Bundeswehr
Digitalisierung
2 min
21. Januar 2025

Die pCloudBw und ihre Bedeutung für die Bundeswehr

#Bundeswehr

#Technologie

Die Freigabe der eigenen Private-Cloud-Plattform ist für die Bundeswehr ein wichtiger Schritt für die digitale Transformation. Doch warum ist die Technologie so relevant? Ein Hintergrundbeitrag über die Bedeutung von Cloud-Computing für die deutschen…
2 min
21. Januar 2025
 
Private Cloud der Bundeswehr: BWI nimmt erste Ausbaustufe in Betrieb
Digitalisierung
2 min
13. Januar 2025

Private Cloud der Bundeswehr: BWI nimmt erste Ausbaustufe in Betrieb

#Bundeswehr

#Digitale Verteidigungsfähigkeit

Am 6. Januar hat die Bundeswehr grünes Licht für die erste Ausbaustufe der von der BWI entwickelten Cloud-Plattform gegeben. Vor der formalen Betriebsfreigabe hatte die „private Cloud der Bundeswehr“ (pCloudBw) die Akkreditierung durch die Deutsche…
2 min
13. Januar 2025