Himmel voller fliegender Drohnen © Adobe Stock/VisualMarketplace (KI) /BWI GmbH (Collage)
Tech Corner - Deep Dive Software Defined Defence

Ein Lösungsansatz zur Softwarearchitektur für SDD

4 min
9. Dezember 2024

Als primärer Digitalisierungspartner unterstützt die BWI die Bundeswehr und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) bei der Erarbeitung der Grundlagen zu Software Defined Defence (SDD). Dazu zählt auch die Beratung zu Fragen der Softwareanteile der Gesamtsystemarchitektur von SDD.

Aktuelle Konflikte – insbesondere der russische Angriffskrieg in der Ukraine – zeigen, dass heute nur die Streitkräfte militärisch bestehen können, die ihre Waffensysteme kontinuierlich und kurzfristig an neue Anforderungen auf dem Gefechtsfeld anpassen können. Eine solch schnelle Anpassung ist in der Regel nur auf Basis von Softwareänderungen möglich. Denn Software kann deutlich schneller an neue Anforderungen im Gefecht angepasst werden, als die darunterliegende physische Hardware. 

Daher muss der Fokus bei der künftigen (Weiter-)Entwicklung von Waffensystemen auch darauf liegen, die Software in den Mittelpunkt zu stellen und von einer hardware- zu einer softwarezentrierten Denkweise zu kommen. Wie aber könnte eine Softwareplattform aussehen, damit schnelle, flexible und kontinuierliche Fähigkeitsverbesserungen der Waffensysteme über Software-Updates möglich werden? Ein Konzept der BWI zeigt einen möglichen Weg hierfür auf.

Entkopplung von Hardware und Software

Aufgrund der bisherigen Hardwarezentrierung bei der Entwicklung von Waffensystemen ist die genutzte Software in der Regel hochgradig individuell auf das jeweilige Waffensystem zugeschnitten. Ein Update oder Austausch einzelner Softwarekomponenten war bisher in der Regel nicht vorgesehen, nicht einfach durchzuführen oder sehr (zeit-)aufwändig bzw. teuer und erfordert spezielles Know-how. Auch Fähigkeitsanpassungen oder etwa die Nutzung von Sensordaten für neue Zwecke ist nur durch aufwändige Entwicklungen und Rezertifizierung des Gesamtsystems möglich.

Durch eine Entkopplung der Hardware zumindest von Teilen der Software werden die Vorteile der schnellen Anpassungsfähigkeit von Software und damit des SDD-Paradigmas nutzbar. Zunächst einmal ist die Software funktional zu unterteilen. Es wird unterschieden zwischen „embedded Software“ und „SDD-Software“

Eine Grafik die aus zwei Teilen besteht, die durch Pfeile miteinander verbunden sind. Im oberen Bereich ist SDD. Hier ist farblich hervorgehoben SDD Kommunikation, SDD Sensorenauswertung usw. Dies laufen zusammen in die SDD Laufzeitumgebung. Unten ist embedded Software. Dies sind WaSys Steuerung, Kommunikation und Sensorik, die in die Hardware laufen, genauso wie SDD Laufzeitumgebung. © BWI GmbH/ Janina Moser

Die Hardware steht für eine physische militärische Plattform, also ein Waffensystem wie etwa ein Panzer. Für die sichere und zertifizierte Funktionsweise des Systems ist hier embedded Software enthalten. Diese wird durch die Waffensystemhersteller entwickelt und ausgeliefert. In Ergänzung zur embedded Software soll zukünftig eine zusätzliche Schicht eingeführt werden, die neben der embedded Software eine einheitliche Laufzeitumgebung für SDD-Software zur Verfügung stellt. Auf dieser Laufzeitumgebung können dann Anwendungen auf Basis standardisierter Schnittstellen mit der zugrundeliegenden Hardware kommunizieren und neue Funktionalitäten auch nachträglich zur Verfügung stellen sowie Daten unter Nutzung der Kommunikationssysteme der Waffensysteme mit anderen Systemen und der Cloud austauschen.

Auch bei der großflächigen Realisierung des SDD-Paradigmas wird die embedded Software wesentlicher Bestandteil des Systems sein und bleiben; jedoch sollte auch diese Software so gut und flexibel wie möglich durch den Hersteller aktualisierbar sein, sollte es dazu eine operative Anforderung geben.

Analogie Smartphone

Das vorgeschlagene Software-Design der BWI und die damit einhergehende Unterscheidung zwischen embedded Software und SDD Software lässt sich bildlich anhand einer Analogie zum Smartphone darstellen: Bei Auslieferung eines neuen Smartphones ist beispielsweise die Telefon-App bereits installiert. Sie ist als integraler Bestandteil des Systems tief in die Betriebssystemstruktur integriert und embedded, da sie eine wesentliche Funktion bereitstellt, die für die Nutzung des Smartphones zentral ist. Durch die direkte Hardware-Integration wird eine stabile und sichere Nutzung dieser zentralen Kommunikationsschnittstelle gewährleistet. Auf dem Smartphone integrierte Apps von Drittanbietern laufen in einer separaten Laufzeitumgebung.

Einbindung SDD-Software

Nach dem Konzept der BWI könnten künftig Waffensystemhersteller zusätzlich zur embedded Software auch eine Laufzeitumgebung für SDD-Software liefern, damit diese „on top“ aufsetzen kann. Diese Laufzeitumgebung könnte auch durch eine Anpassung bereits in Nutzung befindlicher Systeme nachrüstbar sein. Diese Umgebung stellt die Ressourcen, Dienste und Infrastruktur bereit, die SDD-Software benötigt, um ordnungsgemäß zu laufen. Durch eine Standardisierung dieser Umgebung (z.B. Vorgabe von Basisdiensten, Schnittstellen etc.) können dort weitere Apps der Waffensystemhersteller, aber auch anderer Softwarehersteller und Software-Dienstleistungsunternehmen ausgeführt werden. Analog zu dem Smartphone, das eine Laufzeitumgebung für individuelle Apps von verschiedensten Herstellern bereitstellt, könnte auch hier ein zentrales Military-App-Store-Konzept für die Bereitstellung und Auslieferung von Military Apps zum Einsatz kommen.

Kontinuierliche Updates

Unter Befolgung des SDD-Paradigmas werden diese (Drittanbieter-)Apps über eine Software Factory (zum Beispiel zukünftig über die Platform42 der BWI) in den Military-App-Store geladen und können von dort aus in den Laufzeitumgebungen der verschiedensten militärischen Plattformen installiert werden. Dieser Ansatz bietet dann die Möglichkeit, die „on top“ SDD-Software über den Military-App-Store schnell und kontinuierlich auf Basis der Anforderungen, die im Einsatz entstehen, zu aktualisieren. Das gegebenenfalls erforderliche Backend der Apps liefe dann in einer Cloud (pCloudBw), auch bekannt als Core.

Die Grafik zeigt zwei Kästen. Der obere Kasten zeigt die Cloud mit der SDD Kommunikation Backend, SDD Sensor Backup und weiteren SDD Backend Anwendungen. Der untere Kasten zeigt die Architektur von der ersten Grafik. Das verbindende Element zwischen beiden Boxen ist der Military App Store © BWI GmbH/ Janina Moser

Die weitere Ausgestaltung der SDD-Laufzeitumgebung, die Entwicklung von Standards und Vorgaben könnte in Zusammenarbeit zwischen dem BMVg, Bundeswehr, Waffensystemherstellern, Software-Dienstleistern und der BWI erfolgen. Letztendlich würden Bundeswehr und das BMVg auf dieser Basis Vorgaben für die SDD-Laufzeitumgebung in Waffensystemen zur Nutzung in der Bundeswehr machen, um damit die Grundlage zur Umsetzung des SDD-Paradigmas voranzutreiben.

Natürlich wären in einem nächsten Schritt – insbesondere wenn es um konkrete Use-Cases der SDD-Software geht – weitere Überlegungen notwendig: So wäre es auch denkbar, dass der SDD-Software über die Laufzeitumgebung auch Schnittstellen zu Steuereinheiten der grundlegenden Fahrfunktionen wie das Lenken und Steuern zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise kommuniziert die Kollisionsdetektions-Software in einem modernen Auto mit dem Bremssystem über elektronische Schnittstellen. Durch diese Schnittstellen kann Software das Bremssystem indirekt steuern, indem sie Befehle und Parameter an das Bremssystem-Steuergerät (ABS/ESP Steuergerät) sendet, das dann die tatsächliche Bremskraft umsetzt.

Fazit

Der hier beschriebene Ansatz basiert auf einer Kombination aus embedded Software der Waffensystemhersteller, einer zur Verfügung gestellten Laufzeitumgebung und weiterer von verschiedenen Software-Dienstleistern entwickelter SDD-Software, die über ein Military App Store zur Verfügung gestellt werden. Für die Etablierung des SDD-Paradigmas in der Bundeswehr ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung des gemeinsamen Verständnisses und der gemeinsame Blick von BMVg, Bundeswehr, BWI und Industrie auf die Herausforderungen und verschiedenen Lösungsansätze notwendig. Daher könnte ein wie hier beschriebener Ansatz nun gemeinsam iterativ weiterentwickelt, verbessert und stetig optimiert werden.

Janina Moser

Janina ist seit 2021 bei der BWI und arbeitet im Center of Excellence Software Engineering. Sie ist als Lead Software Engineer im SDD Kernteam der BWI tätig.

Simon Wilk

Simon ist seit Ende 2020 bei der BWI und ist im Executive Staff mit strategischen Themen für die Geschäftsführung betraut. In dieser Funktion koordiniert er die Aktivitäten der BWI im Kontext SDD und leitet das SDD Kernteam der BWI.

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