Waffensystemoffizier sitzt in einem Kampfjet des Typs Tornado der Bundeswehr© Bundeswehr/Oliver Pieper
Software Defined Defence

Schnellere Softwareentwicklung für die Bundeswehr – die „Platform42“ der BWI

3 min
13. Februar 2024

Digitalisierung wird für die Fähigkeitsentwicklung der deutschen Streitkräfte immer wichtiger – und immer drängender. Software kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sich mit ihr Systeme schneller aktualisieren lassen. Eine neue Plattform der BWI soll der Bundeswehr dabei helfen, Software künftig schneller zu entwickeln.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und damit auf die sicherheitspolitische Ordnung Europas erfordern von der Bundeswehr, schnell Fähigkeiten zu entwickeln, damit ihre Streitkräfte vor dem Hintergrund der neuen Bedrohungslage einsatz- und durchhaltefähig sind. Auch und gerade im Bereich des Digitalen. Damit deutsche Soldat*innen im Gefecht präzise, angemessen und vor allem schneller als der Gegner handeln können, benötigen sie Informationen und müssen miteinander vernetzt sein. Hier kommen moderne Übertragungstechnologien, Künstliche Intelligenz (KI) oder etwa Cloud-Computing zum Tragen. Aber nicht nur in den klassischen militärischen Dimensionen Land, Luft und See werden digitale Fähigkeiten immer wichtiger, auch im Cyber- und Informationsraum. Denn Gefahren kommen zunehmend auch aus dem virtuellen Raum, etwa in Form von hybriden Bedrohungen oder Cyberangriffen.

Hinzu kommt der rasante technologische Fortschritt, allen voran in Form der Digitalisierung: immer größere Datenmengen, die beherrscht werden müssen, und in der Folge immer leistungsfähigere Computer und eine immer schnellere Entwicklung von Software, gerade im Bereich KI. Wenig funktioniert heute noch ohne Informationstechnik. Das gilt auch für Waffensysteme wie Panzer, Flugzeuge oder Schiffe. Ein Eurofighter beispielsweise besitzt rund 80 frei programmierbare Rechner, das Transportflugzeug A400M kann man gar als fliegendes Rechenzentrum bezeichnen.

Software als Enabler

Die Bundeswehr muss immer schneller, immer leistungsfähiger werden und Software ist ein Schlüssel. Mit ihr lassen sich technologische Plattformen leichter aktualisieren. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie macht den Ansatz deutlich: Tesla führt für das Modell 3 mit Scheinwerfern, die ab 2021 verbaut wurden, nun adaptives Fernlicht ein – und zwar per Software-Update. Genau hier setzt das Konzept Software Defined Defence der Bundeswehr an. Im Kern geht es darum, sich bei Weiterentwicklungen von Waffensystemen mehr auf die Software, als wie bisher auf die Hardware zu konzentrieren. Das ermöglicht zum einen schnellere und flexiblere Anpassungen an die Anforderungen der modernen Operationsführung.

Zum anderen erlaubt es die Vernetzung und damit verbesserte Zusammenarbeit der Systeme mit- und untereinander. Im Zentrum von Software Defined Defence steht also die Idee eines „Internet of Military Things“. So hat es Frank Leidenberger, Chief Executive Officer der BWI, zuletzt auf der Handelsblatt-Konferenz „Sicherheit und Verteidigung 2024“ ausgedrückt. Ende Januar hatte er dort mit Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung, in einem Panel über das Konzept und dessen Vorteile für die Bundeswehr gesprochen.

Schnellere Entwicklung durch Standards

Mit dem Ziel, neue Software künftig schneller entwickeln und bestehende Softwaremodule besser und streitkräfteübergreifend nachnutzen zu können und damit softwarebasierte Innovationen schneller einführen zu können, baut die BWI seit letztem Jahr die „Platform42“ auf. Wer bei der Zahl an die vielfach zitierte „Antwort 42“ auf die „endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ aus dem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ des englischen Autors Douglas Adams denkt, liegt richtig. „Software ist bestimmt nicht die Antwort auf alles, aber ganz sicher ein bestimmender Faktor unseres Lebens“, sagt Dr. Rolf Hager, Leiter Software Engineering bei der BWI. Immer mehr werde heute über Software gesteuert. Das fange in der Industrieproduktion an und höre dabei auf, wie wir uns mit anderen Menschen zum Kaffee verabreden. „Auch und gerade für die Bundeswehr ist Software längst entscheidend. Und wir als Softwareentwickler wollen das im Sinne unseres Kunden gestalten und beeinflussen. Naja, und wir sind Nerds, deshalb die 42“, so Hager.

Vorbild für das Vorhaben der BWI ist die Platform One des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Denn auch in den US-Streitkräften sind sich Expert*innen über die zunehmende Bedeutung von Software im Militär und ihre Auswirkungen auf die Art, wie militärische Konflikte geführt werden, einig.

Die Platform42 der BWI

Vorletztes Jahr haben Rolf Hager, Janina Moser und Carsten Busch aus dem Bereich Software Engineering der BWI mit dem Aufbau begonnen. „Die Platform42 ist dabei weit mehr als eine Entwicklungsumgebung“, sagt Hager. Im Kern gehe es um ein Ökosystem, in dem Entwickler*innen der BWI, mit ihren Kunden aus der Bundeswehr und Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten. Im Zentrum steht der Mensch, konkret die Bereitstellung einer „Development Workforce“, also Software-Entwicklerteams, die für die Bundeswehr Aufgaben, wie beispielsweise UX-/UI-Design, Codierung, Testing, Coaching oder Systemadministration erbringen. Ein Rahmenvertrag ermöglicht es der BWI, bei Bedarf externe Entwickler*innen aus einem Pool von über 50 IT-Unternehmen einzubinden.

Ein „Software Engineering Framework“ definiert Standards, Methoden und Best Practices, mit denen Anwendungen für die Bundeswehr entwickelt werden. „Alleine in Java gibt es zig Möglichkeiten etwas zu programmieren. Da haben wir noch nicht über Kotlin, C#, TypeScript, React, Kafka, Deep Learning oder Matrix gesprochen“, erklärt Carsten Busch, Leiter der Software-Engineering-Einheit „Application & Integration“. Durch Standards entstehen Software-Komponenten, die sich einfach für andere Produkte nachnutzen lassen, ohne bei der Entwicklung jedes mal bei Null anfangen zu müssen. Außerdem stellen sie sicher, dass Software kompatibel beziehungsweise die Anforderungen hinsichtlich Interoperabilität zwischen den Teilstreitkräften der Bundeswehr und zu verbündeten Streitkräften anderer Nationen gegeben ist. Entwickelte Software-Komponenten, wie beispielsweise ein Logger, werden bewertet, in einer „Shared Production Base“ gesammelt und können bei Bedarf für andere Produkte verwendet werden.

Und schließlich wird eine Entwicklungsplattform dazu gehören. Das „DevLabPro“ baut die BWI derzeit in einem ihrer Rechenzentren auf. Auf dieser speziell für das Software Engineering vorgesehenen Hardware entsteht eine Entwicklungsumgebung, auf der Entwickler*innen cloudfähige Software nach den Standards von Bundeswehr und BWI sowie für alle benötigten Betriebsplattformen programmieren können. Sie soll Ende des Jahres fertig sein.

Mit der Platform42 verfolgt die BWI ihr wichtigstes Ziel als primärer Digitalisierungspartner der Bundeswehr: IT-Lösungen zu entwickeln und bereitzustellen, die der Bundeswehr dabei helfen, die Führungs- und Einsatzfähigkeit sowie Kampfkraft ihrer Streitkräfte kontinuierlich zu erhöhen.

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