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COVID-19: Ein Weckruf für die Digitalisierung

4 min
16. April 2020

Der Corona-Virus SARS-CoV-2 bestimmt seit Wochen unseren Alltag: Die Krise hat Küchentische in Homeoffice-Desks verwandelt und Videochats zum endgültigen Durchbruch verholfen. Egal, ob in Behörden, Unternehmen, oder privat zu Hause: Ausgangssperren und Kontaktverbote machen die Digitalisierung zur Pflicht.

Webshops und Streaming-Plattformen boomen. Schulen unterrichten – soweit möglich – über digitale Medien. Und viele Unternehmen und Behörden haben von heute auf morgen eine Homeoffice-Belegschaft etabliert. Kurz: Deutschland ist wie manch anderes Land deutlich digitaler, als noch vor Wochen. Engpässe im Netz und eine überforderte Breitbandinfrastruktur drohen derzeit nicht. Zwar ist der Datenverkehr insgesamt deutlich angestiegen, doch neue Lastspitzen wurden bislang nicht erreicht. Auch weil Online-Plattformen wie YouTube, Netflix & Co. ihre Streaming-Qualität reduziert haben. Im Vergleich zum massiven Streaming-Datenverkehr sind Homeoffice-Anforderungen vergleichsweise gering: E-Mails und Kollaborations-Tools würden nur wenig Bandbreite erfordern, sagen Nick Kriegeskotte und Bastian Pauly vom Branchenverband Bitkom. Selbst Videokonferenzen seien mit geringen Geschwindigkeiten zwischen zwei bis acht Mbit pro Sekunde problemlos möglich.

Freeware – aber nicht zweifelsfrei

Mit dem Ausbruch von COVID-19 weichen immer mehr Menschen auf digitale Lösungen aus. Viele Softwareunternehmen haben ihre Angebote der Situation angepasst oder stellen Services vorübergehend kostenlos zur Verfügung. Kollaborative Freeware und Open-Source-Tools befähigen Privatpersonen wie auch Unternehmen und Behörden, ihren Status quo aufrechtzuerhalten und die neuen Herausforderungen zu bewältigen.

Doch die ersten Sicherheitslücken sind schnell gefunden: So entlarvte jüngst die Computerzeitschrift c't eine Schwachstelle bei dem Videokonferenzsystem des bayerischen Innenministeriums. Bis vor Kurzem konnte man internen Sitzungen ohne jegliche Authentifizierung beiwohnen. In einer späteren Stellungnahme räumte das bayerische Gesundheitsministerium ein, dass zwar ein öffentlicher Zugang grundsätzlich möglich sein sollte und auch beabsichtigt sei, allerdings nicht uneingeschränkt für jedermann. Der Zugang ist nun passwortgeschützt.

„Die Krise ist ein Weckruf, die Digitalisierung nun massiv voranzutreiben.“

Achim Berg, Präsident des Bundesverbands Bitkom

Teamwork: solidarisch, lizenzfrei, lösungsorientiert

Neben Sicherheitslücken macht auch die Online-Solidarität Schlagzeilen: Binnen weniger Tage haben sich im Internet tausende Helfer aus Hackerspaces, Fablabs und Start-ups zusammengetan. Gemeinsam suchen sie Lösungen, um Engpässen bei Produktions- und Lieferprozessen von Schutzkleidung und Beatmungsgeräten entgegenzuwirken. Unter dem Dach der gemeinnützigen Gesellschaft „GesundZusammen“ etwa haben sich Dutzende führender Tech-Unternehmen verschiedener Branchen zusammengetan, um digitale Projekte zu fördern, die „Gesellschaft, Politik und Wirtschaft aktiv dabei helfen, Covid-19 mit digitalen Lösungen einzudämmen“. Über 100 Unternehmen haben bereits ihre Unterstützung zugesichert.

Die Wissensplattform www.m4mvscovid.de ist eine weiteres Beispiel. Die auf Twitter gestartete Initiative von Medizinern aus der Notfall-, Akut und Intensivmedizin, soll Ärzte mit weniger intensivmedizinischer Erfahrung helfen. Auch die Bundesregierung ist auf den Selbsthilfezug aufgesprungen und rief zum Hackathon #WirVsVirus auf. Dabei haben in 48 Stunden 28.361 Menschen zusammen an über 1.500 Lösungen gearbeitet: Es war der größte Hackathon der Welt.

Die Bundeswehr gegen das Virus

Mehr als 15.000 Soldatinnen und Soldaten des Einsatzkontingents Hilfeleistung Corona unterstützen Bund und Länder derzeit im Kampf gegen das Virus. Auch über die zurückliegenden Osterfeiertage. Die Maßnahmen reichen von der Evakuierung erkrankter Patienten per Flugzeug, über die Unterstützung mit medizinischem Personal bis zur Auslieferung von Feldbetten. „Uns allen muss bewusst sein, dass dieser Kampf gegen das Virus ein Marathon ist“, sagt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Um eine stabilen IT-Betrieb für die Bundeswehr und damit die Kernführungsfähigkeit zu gewährleisten, ergreift die BWI alle nötigen Maßnahmen. Um etwa die Kapazität für die Sprach- und Datenkommunikation im Kernnetz des Wide Area Networks zu erhöhen, wurden bundesweit zusätzliche WDM-Verbindungen (Wavelength Division Multiplexing) realisiert und wo nötig, leistungsfähigere Netzwerkkomponenten implementiert oder bestehende erweitert. Zudem hat die BWI beispielsweise die Infrastruktur für den Remote Access erweitert. Nun wird stufenweise die Anzahl der gleichzeitigen mobilen Verbindungen erhöht, um mehr Angehörigen der Bundeswehr das Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen.

Darüber hinaus wurden Bundeswehrkrankenhäuser kurzfristig mit Videokonferenzanlagen ausgestattet und die IT-Infrastruktur für das COVID-19-Lagezentrum des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr erweitert. In dem Koblenzer Einsatzführungszentrum laufen sämtliche Aktivitäten des Sanitätsdienstes zusammen. Die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin setzt seit Mitte März ein vom Cyber Innovation Hub der Bundeswehr entwickeltes System für Online-Videosprechstunden ein. Zwei Monate früher als geplant.

„Die Corona-Krise hat uns die Bedeutung digitaler Technologien für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sehr klar vor Augen geführt.“

Achim Berg, Präsident des Bundesverbands Bitkom

In der Krise liegt die Kraft? Das digitale Corona-Hoch

Dem 2017 in Kraft getretenen Onlinezugangsgesetz zufolge hätten deutsche Behörden bis Ende 2022 Zeit, sämtliche Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Heute zeigt sich, wie wichtig ein reibungsloser digitaler Kontakt zwischen Bürgern und Behörden wäre, zum Beispiel für Anträge auf Kurzarbeit oder Arbeitslosengeld. Fakt ist: Ämter sind vielerorts geschlossen oder offline. Aktuell arbeitet das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium an einer landesweiten Digitalisierung von Verwaltungsaufgaben. So soll es der digitale Standard bis Ende April auch mit Krisensituationen aufnehmen können.

Obwohl die Pandemie viele Bereiche der Gesellschaft herausfordert und berufliche Existenzen auf dem Spiel stehen, sieht der Bitkom in der Krise auch Chancen für die Digitalisierung: „Die Corona-Krise hat uns die Bedeutung digitaler Technologien für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sehr klar vor Augen geführt“, betont Berg. Dabei kritisiert er, dass wir uns bisher zu viel Zeit bei der Digitalisierung gelassen hätten. Genau jetzt gehe es darum, Versäumtes nachzuholen, digitale Infrastrukturen aufzubauen, Geschäftsprozesses umfassend zu digitalisieren und neue, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

 

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