Echt, jetzt? BWI schickt die Bundeswehr in virtuelle Realitäten© BWI GmbH
Extended-Reality-Anwendungen

Echt, jetzt? BWI schickt die Bundeswehr in virtuelle Realitäten

4 min
9. August 2021

Brille auf und ab in eine andere Dimension: Mittels Virtual Reality (VR) können Soldat*innen in digitale Welten eintauchen. Wer hier an Spiele wie Minecraft denkt, ist zwar nicht ganz auf dem Holzweg. Doch es geht um weit mehr als spielerisches Lernen: Das Potenzial von VR und ihrer Schwestertechnologie Augmented Reality (AR) wird für die Sicherheit und den Auftrag der Bundeswehr von großem Nutzen sein. Das haben Innovationsvorhaben der BWI gezeigt.

Kampfpilot Martin P. startet den Bundeswehr-Helikopter, dessen Triebwerke geräuschvoll die Rotoren in Gang setzen. Senkrecht hebt das Luftfahrzeug ab, doch dann – ein Stottern im Getriebe, die Rotoren stehen still. Anscheinend stimmt etwas mit dem Treibstoff nicht, trotz vollem Tank. – Der Helikopter verliert an Höhe und stürzt in die Tiefe … Keine Angst, Martin ist in Sicherheit, denn die geschilderte Szene ist nur Fiktion. Doch sie macht deutlich, wie wichtig es ist, dass bei Missionen nur hochwertige im Ausland erworbene Betriebsstoffe verwendet werden. Deren Qualität wird in sogenannten Betriebsstoff-Containern, mobilen Laboren, vor Ort kontrolliert. Die dafür zuständigen Soldat*innen durchlaufen eine mehrmonatige Ausbildung. Die Herausforderung: Es gibt nur wenige Labor-Container und diese befinden sich meist im Einsatz. Dank des Experiments „VR gestützte Ausbildung“ lässt sich die Inbetriebnahme ortsflexibel im virtuellen Raum trainieren.

Mit diesem und weiteren Projekten entwickelt die BWI hilfreiche Extended-Reality-Anwendungen für die Angehörigen der Bundeswehr. Grundlage dafür sind VR- und AR-Technologien, die sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt haben. Auch im militärischen Bereich nehmen diese digitalen Trends mehr und mehr eine herausragende Rolle ein. Vorreiter im militärischen Bereich ist die US-Army. Sie setzt bereits HoloLens-AR-Brillen von Microsoft ein, die beispielsweise im Gefecht Ziele digital markieren und Kamerad*innen verorten können – selbst wenn diese sich nicht in der Sichtlinie befinden. Die BWI sorgt mit dafür, dass auch die Bundeswehr in diesem Bereich Maßstäbe setzen kann.

VR und AR – der kleine Unterschied

Das Besondere an virtuellen Technologien ist, dass sich damit digitale Inhalte erstmals räumlich darstellen lassen – (ganz) nah an der Realität – anstatt nur flach am Monitor. Was ist nun der Unterschied zwischen VR und AR? Hier die Erklärung: Bei VR-Anwendungen tauchen Nutzer*innen komplett in eine digitale Welt ab und nehmen diese virtuell in dreidimensionalen Räumen wahr, meist mittels einer VR-Brille. Bei AR-Anwendungen wird die Realität mit virtuellen Elementen „angereichert“ (englisch = „augmented“) – zum Beispiel, indem Informationen auf einer AR-Brille oder dem Smartphone eingeblendet werden. Für VR und für AR gibt es zahlreiche praktische Anwendungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Lebensbereichen.

BWI stellt Bedürfnisse der Truppe ins Zentrum

Als Innovationstreiber und Digitalisierungspartner der Bundeswehr sucht die BWI nach praktischen Einsatzmöglichkeiten dieser Technologien. Dabei leitet sie stets das Ziel, die Bundeswehr bei ihrem Auftrag zu unterstützen und den Alltag der Soldat*innen zu vereinfachen. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Beispielsweise können AR und VR in den Bereichen „Strategische Kommunikation“, „Telepräsenz“ sowie „Training und Ausbildung“ ganz neue Optionen eröffnen, wie die folgenden Innovationsvorhaben zeigen.

Gefahrfrei und entspannt trainieren

Wie können sich Soldat*innen realitätsnah auf Herausforderungen vorbereiten, ohne sich in Gefahr zu begeben? Das verdeutlichen die Innovationsvorhaben „VR-Firefighter“ und „VR Segelflugsimulator“ des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw). Perspektivisch werden sich Marinesoldat*innen gefahrenfrei virtuell auf das Vorgehen im Brandfall vorbereiten können – ohne echten Rauch zu generieren oder Feuerlöschmittel einzusetzen.

Beim Projekt VR-Segelflugsimulator lautet die Devise „VR-Brille statt Flugbrille“. So wird die Aus- und Weiterbildung von Offizieren*innen und Offiziersanwärtern*innen im Segelfliegen optimiert – ohne Bruchlandungen und mit viel mehr Flugstunden, also es in der realen Welt möglich wäre. Er ermöglicht sichere sowie effizientere Flugstunden, da durch das VR-Training bereits vor der ersten echten Flugstunde, wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen in der „dritten Dimension“ virtuell erlebt werden.

Lernen im virtuellen Zwilling

Am Beispiel des Experiments „VR-gestützte Ausbildung“ werden die Vorteile virtueller Realität ebenfalls deutlich: Denn beim Training im 3D-Labor-Container können Soldat*innen praktisch von jedem Standort aus gleichzeitig die Inbetriebnahme des Betriebsstoff-Containers erlernen, wiederholen und vertiefen. Echte Labor-Container sind teuer und nur in geringer Zahl vorhanden – und die werden im Einsatz gebraucht. Können die Ausbildungsinhalte virtuell vermittelt werden, ist das komfortabler, kostengünstiger und das rare Gerät bleibt der Truppe im Einsatz länger erhalten.

Minecraft goes Bundeswehr

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von VR für Schulungszwecke: Die Innovationseinheit CIHBw hat eine Version des populären Minecraft-Spiels für die Führungsakademie der Bundeswehr entwickelt: Minecraft AR. Damit lassen sich spielerisch agile Arbeitsmethoden wie Scrum erlernen und Technologiekompetenz im Umgang mit AR-Anwendungen erwerben.

Vor-Ort-Unterstützung via AR

Auch der BWI-IT-Service wird durch eine AR-basierte Lösung, genannt ARFiS, ein höheres Level erreichen. Über ARFiS erhalten BWI-Servicetechniker schnell Unterstützung beim Vor-Ort-Service in einer Bundeswehr Liegenschaft – beispielsweise durch das Einblenden von Anleitungen in Form von Texten, Bildern oder Videos oder einen Mixed-Reality-Anruf bei einer oder einem erfahrenen Kollegen*in.

Luftwaffeneinsätze im virtuellen Raum besprechen

Das vielleicht bekannteste Beispiel schließlich ist das Experiment „VR-Lage“: Die BWI-Innovationseinheit innoX hat zusammen mit der Luftwaffe einen virtuellen Lageraum entwickelt. In diesem kommen alle Beteiligten eines Luftwaffeneinsatzes zusammen, um die Planung und Ausführung zu besprechen. So kann künftig das Problem gelöst werden, dass sich die Piloten*innen und der/die Befehlshabende an unterschiedlichen Flugplätzen befinden, was die Abstimmung heute erheblich erschwert. Im virtuellen Lageraum interagieren die Beteiligten in Echtzeit miteinander, indem sie über Avatare reden, gestikulieren und sogar Technik bedienen. Für die Teilnehmenden fühlt es sich an, als wären sie tatsächlich miteinander in einem Raum, in dessen Mitte eine 4D-Karte des Einsatzgebietes verankert ist.

Ausblick: Technologiesprünge, die Bundeswehr und die BWI

Jedes der genannten Innovationsvorhaben haben Bundeswehr und BWI gemeinsam erprobt. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Auch das Geschehen im Gefecht könnte eines Tages mittels AR und VR in anderen Dimensionen ablaufen. Und mit dem Eintauchen in virtuelle Realitäten durch Brille, Maus und Tastatur sind noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Künftig könnte es sogar möglich sein, dass die Nutzer*innen dabei ihren Körper als Interaktionsschnittstelle einsetzen und Eingabegeräte überflüssig werden. Wie sich das sogenannte Spatial Computing im Bundeswehr-Alltag einsetzen lässt, muss noch erforscht werden. In den kommenden Jahren sind weitere Technologiesprünge zu erwarten, die in ein neues Zeitalter der digitalen Kommunikation führen. „Voranlaufen und nicht hinterher“ ist dabei die Devise: Durch die unterschiedlichen Innovationsvorhaben unterstützt die BWI die digitale Transformation der Bundeswehr und trägt so zur Zukunftsfähigkeit des Landes bei.

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