VR-Lage-Projektleiter Markus Zobel im Interview: „Pionierarbeit im virtuellen Raum“© BWI GmbH
Innovationsvorhaben „VR-Lage“

VR-Lage-Projektleiter Markus Zobel im Interview: „Pionierarbeit im virtuellen Raum“

4 min
18. August 2021

Als Innovation Manager bei der BWI-Innovationseinheit innoX ist Markus Zobel stets auf der Suche nach vielversprechenden Technologien. Virtual Reality (VR) zählt dazu. Gemeinsam mit der Luftwaffe haben er und seine innoX-Kolleg*innen die Idee für das Innovationsvorhaben „VR-Lage“ entwickelt und umgesetzt.

Das Team arbeitete mit hochspezialisierten Technologie-Partnern zusammen und schuf ein echtes Novum: VR-Lage hebt die Kollaboration in der Luftwaffe perspektivisch auf eine neue Stufe. In einem virtuellen, dreidimensionalen militärischen Lageraum werden Pilot*innen und Befehlshabende ihre Einsätze ortsunabhängig und mit den neuen Möglichkeiten, die VR bietet, planen können. Näheres dazu erläutert Markus Zobel im Gespräch mit der BWI-Redaktion.

In Zeiten der Corona-Pandemie sind Meetings per WebEx an der Tagesordnung. Doch der virtuelle Lageraum, den die BWI zusammen mit der Luftwaffe entwickelt hat, ist kein herkömmliches Konferenzsystem. Was macht den Unterschied aus?

VR-Lage setzt genau dort an, wo klassische Konferenztechniken wie Audio- und Videotelefonie an ihre Grenzen stoßen: Im virtuellen Raum können Konferenzteilnehmer*innen so miteinander interagieren, als würden sie sich tatsächlich am selben Ort befinden: Sprechen, hören, zeigen, Objekte greifen, 3D-Simulationen einsetzen und sich sogar im virtuellen Raum bewegen – all das ist über Avatare möglich. Überspitzt formuliert bietet VR-Lage den großen Vorteil, dass zum Beispiel die Pilot*innen alle im virtuellen Raum vorhandenen Informationen und Hilfsmittel nutzen können, während ihnen in einer klassischen Konferenzlösung nur das zugänglich ist, was sie auf dem eigenen Rechner haben oder die andere Meeting-Teilnehmer teilen. Das ermöglicht ein neues Level der Zusammenarbeit.

 

Wie entstand die Idee für das Experiment „VR-Lage“?

Für uns war klar, dass VR den Arbeitsalltag der Luftwaffe eindeutig erleichtern kann. Warum? Ganz einfach: Bis jetzt ist es üblich, dass alle an einem Einsatz Beteiligten zu einer Besprechung zusammenkommen. Doch diese befinden sich häufig an unterschiedlichen Orten, sie sind im militärischen Jargon „disloziert“. Für die Zusammenkunft ist ein hoher logistischer Aufwand erforderlich. Das Bedürfnis der Bundeswehr nach Vereinfachung stand also fest und somit war die Idee für VR-Lage geboren. Eine Marktanalyse zeigte außerdem: Es gibt aktuell keine Lösung, die alle Funktionen bietet, um Missionen im virtuellen Raum zu planen. Jedoch decken verschiedene verfügbare Produkte und Lösungen bestimmte Teilbereiche ab. In dem Innovationsvorhaben „VR-Lage“ haben wir auf experimenteller Ebene etwas vollkommen Neues geschaffen, indem wir die bereits vorhandenen Lösungen miteinander kombiniert haben. Das war echte Pionierarbeit.

 

„Pionierarbeit“ ist ein gutes Stichwort. Welche innovativen Features bietet der virtuelle Lageraum der Luftwaffe?

Experimentelle Funktionen sind etwa die Gestensteuerung, also das Nutzen der eigenen Hände zur Steuerung der virtuellen Welt, oder das Einblenden der realen Welt in die Virtual Reality. Zudem gibt es eine KI-gestützte Sprachsteuerung und Dialogführung, die perspektivisch in VR-Lage zur Verfügung steht. Wir alle kennen ja Sprachassistenten wie Alexa und Co. Nach demselben Prinzip können auch Teilnehmende im virtuellen Meeting-Raum mit dem System in Dialog treten, Fragen stellen oder Befehle erteilen, zum Beispiel um das Whiteboard zu öffnen. Damit ist uns in der zweiten Phase des Experiments ein absolutes Novum gelungen. Denn meines Wissens nach war es bisher nicht möglich, Virtual Reality mit Sprachbefehlen zu steuern. Natürlich ist die Zuverlässigkeit der Anwendung noch optimierbar, aber das Potenzial liegt auf der Hand. Interessantes Detail: Unser Technologie-Partner ist ein Start-up, dessen Mit-Gründer und Wissenschaftlicher Leiter den Sprachassistenten von Amazon mitentwickelt hat.“

 

Mit welchen Partnern hat die BWI bei „VR-Lage“ noch zusammengearbeitet?

Als IT-Systemhaus der Bundeswehr kennt die BWI deren spezielle Anforderungen: Wir identifizieren die konkreten Bedürfnisse der Truppe, suchen auf dem Markt nach den passenden Elementen und entwickeln daraus eine bundeswehrspezifische Lösung. Dafür arbeiten wir gezielt mit strategischen Partnern zusammen, die uns die erforderlichen Technologiebausteine liefern. Für VR-Lage haben wir beispielsweise die Virtual-Reality-Konferenzlösung des Start-ups WeAre genutzt. Diesen VR-Raum galt es um weitere wichtige Funktionen zu ergänzen. Der digitale Lagetisch beispielsweise wurde vom Forschungsinstitut Fraunhofer für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung entwickelt. Der Tisch erlaubt das teilautomatisierte Einlesen der Luftraumordnung und Missionsbeauftragung sowie die Darstellung von 4D-Landkarten und Satellitenbildern. Außerdem unterstützte uns das Zentrum für Softwarekompetenz der Bundeswehr bei der Aufbereitung und Interpretation von militärischen Daten wie dem Lufteinsatzbefehl (ATO) und dem Befehl zur Luftraumordnung (ACO). Die Übungsdaten selbst wurden uns vom Zentrum für Luftoperationen zur Verfügung gestellt. Hierbei arbeiteten wir auch mit dem Industrieunternehmen Esri, dem Bundeswehrpartner für Geoinformationen, zusammen.

 

Wie geht es jetzt weiter mit der Entwicklung?

Die durch VR-Lage gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass mit VR-Technologie räumliche Distanzen überwunden werden können und sich die Zusammenarbeit dislozierter Truppen effektiv gestalten lässt. VR hat also eine strategische Relevanz für die Bundeswehr und die BWI – und stellt gerade in Zeiten der Corona-Pandemie eine sinnvolle Ergänzung zu bereits vorhandenen Lösungen dar. Ein nächster Schritt wird es sein, ein VR-Konferenzmodul zu entwickeln, das die Basis für weitere Anwendungsfälle bildet. Denkbar wären etwa andere virtuelle militärische Lagebesprechungen oder eine VR-Anwendung zur Verbesserung von Ausbildung, Arbeitsplatz, Kommunikation und Gesundheit. Ich bin mir sicher, es gibt viel zu entdecken.

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