Merkel bei der MSC: "Wir müssen für Europa kämpfen!"© BWI GmbH

Merkel bei der MSC: "Wir müssen für Europa kämpfen!"

4 min
19. Februar 2019

„Bleiben wir bei den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg?“, fragt Angela Merkel die politischen Größen aller Kontinente, versammelt auf der Munich Security Conference. „Multilateralismus mag kompliziert sein, aber er ist besser, als alleine zuhause zu sein!“ bekräftigt die Bundeskanzlerin und wird nach ihrer Rede mit stehenden Ovationen belohnt. Doch insgesamt wirken die vielen Rufe nach Gemeinsamkeit eher wie Lippenbekenntnisse.

Eine „Unsicherheitskonferenz“ sei es geworden, schreibt der Journalist Gabor Steingart. Angesichts zahlreicher globaler Krisenherde und überschaubaren Lösungsvorschlägen eine nachvollziehbare Bemerkung. Die transatlantischen Beziehungen, das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen, die Situation im Nahen Osten: Das waren die wichtigsten Themen der MSC 2019 – und einig sind sich die 35 Staats- und Regierungschefs vor Ort in keinem einzigen.

Man ist sich einig, dass man sich uneinig ist

Merkels Optimismus scheint da fast befremdlich: „Fallen wir in lauter Puzzlesteine auseinander und denken, jeder kann für sich allein das Problem am allerbesten lösen? Nein!“ – Doch die Gespräche in München zeichnen ein anderes Bild.

Ein Beispiel: Der höchstrangige Außenpolitiker Chinas, Yang Jiechi, spricht von gemeinsamen Wirtschaftsprojekten zwischen China und Europa und bekennt sich – wie viele Staatschefs – zum Multilateralismus. Doch die Frage, ob sich China an einem globalen nuklearen Rüstungskontrollsystem beteiligen würde, weist er zurück. „Schließlich entwickelt China seine Raketen zu rein defensiven Zwecken.“ Das passt ins Bild, hatten wenige Tage zuvor schließlich schon die USA ihre Beteiligung am INF-Abrüstungsvertrag gekündigt, nachdem sich bereits Russland nicht an die Vereinbarungen hielt.

 

Yang Jiechi hält Vortrag über Cyber Security Diplomat Yang Jiechi gilt als mächtigster Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas

Mehr Zusammenarbeit in Europa

Die hoffnungsvollste Botschaft kam da noch vom Konferenzvorsitzenden Wolfgang Ischinger: „Die Krisen auf der Welt sind menschengemacht. Sie können und sie müssen von uns gelöst werden.“ Ursula von der Leyen sieht dabei vor allem auch Deutschland in der Pflicht. Sie forderte nicht nur eine stärkere militärische Zusammenarbeit in Europa, sondern stellte den verbündeten Staaten in NATO und EU ein stärkeres Engagement Deutschlands in der Verteidigungspolitik in Aussicht. Dass es dabei um mehr als Geld geht, stellte Außenminister Heiko Maas klar: „Sicherheit bemisst sich für uns nicht allein in wachsenden Verteidigungsbudgets.“ Ebenso wichtig seien Konfliktprävention, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.

Cybersecurity: Zwischen Spionageverdacht und Unschuldsvermutung

Das Thema Cybersecurity wurde auf der MSC 2019 von der Huawei-Situation dominiert. Der chinesische Konzern rückte hierzulande im Zusammenhang mit dem 5G-Ausbau in die Schlagzeilen. Die Sorge: Huawei könne von der chinesischen Regierung zum Einbau von Backdoors in die eigene Mobilfunktechnik und damit zur Spionage gezwungen werden. In mehreren Ländern kam es zu Diskussionen, ob das Unternehmen vom 5G-Ausbau ausgeschlossen werden sollte. Die deutsche Regierung sieht dafür keine rechtliche Handhabe, hat aber neue Vorgaben für sämtliche Anbieter installiert: So müssen die Beteiligten beispielsweise ihre Quellcodes offenlegen sowie Hard- und Software zertifizieren lassen.

US-Vize Mike Pence stellt sich klar gegen Huawei: „Chinesische Gesetze verpflichten sie, dem großen Sicherheitsapparat Zugang zu allen Daten zu gewähren, die mit ihren Netzwerken oder ihrer Ausrüstung in Berührung kommen“, warnte er. Chinas Diplomat Yang wies den Vorwurf zurück.

 

KI als Sicherheitsrisiko

Abseits der Konferenzbühne offenbart der gerade veröffentlichte Munich Security Report 2019 ein weiteres Cybersecurity-Thema, das künftig weltweit für Diskussionsstoff sorgen dürfte: künstliche Intelligenz (KI) in der Verteidigung. In dem Bericht führen die Marktanalysten von McKinsey aus, wie sich Streitkräfte durch KI und der damit verbundenen automatisierten Entscheidungsfindung verändern dürften. Eine Entwicklung, mit der Staaten auf das zunehmende Tempo bewaffneter Konflikte reagieren, es zugleich aber auch weiter anheizen. Neue militärische Fähigkeiten wie Schwarmrobotik sehen die Analysen ebenso im Kommen, wie die Unterstützung operativer Funktionen. So könne KI die Logistik in Einsätzen optimieren oder das Training verbessern. Allein im US-Militär dürften so rund 500.000 Jobs durch Automatisierung wegfallen. Ebenso wichtig scheint die Frage, wie der klassische Begriff der Rüstungskontrolle in einem digitalen Zeitalter noch verstanden werden kann. Mit der weltweiten Verfügbarkeit von KI-Systemen werden international vereinbarte Regeln nötig, wie sich künstliche Autonomie beschränken lässt. Erst vor wenigen Tagen hatten die USA ihre eigenen Pläne für eine militärische KI-Aufrüstung veröffentlicht.

 

Offene Fragen bleiben

Fragen der Sicherheit also gibt es mehr als genug zu diskutieren – und es dürften in den nächsten Jahren noch weitere hinzukommen. Doch die Gräben zwischen den transatlantischen Beziehungen klaffen weit. Kann sich das künftig ändern? Diese Frage steht am sichtbarsten im Raum: Ob Merkels leidenschaftliche Forderung nach mehr internationaler Zusammenarbeit nicht nur Gehör findet, sondern auch zu Taten anregt.

 

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