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Koblenzer IT-Tagung: Wie KI die Gefechtsführung verändert

4 min
12. September 2019

Künstliche Intelligenz ist bei der Bundeswehr ein wichtiges Zukunftsthema. Aber auch eines für die Gegenwart. Hochrangige Offiziere diskutierten bei der Koblenzer IT-Tagung am 5. September 2019 über taktische Vorteile, ethische Fragen und heutige Einsatzgebiete intelligenter Systeme für die Gefechtsunterstützung.

„Mit intelligenten Systemen sind militärische Führer in der Lage, bessere Entscheidungen zu treffen“, sagt Brigadegeneral Gerald Funke, Unterabteilungsleiter Planung I im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Dank schneller Analysen einer Unmenge an Datenquellen, viele davon aktueller als alles, was Entscheidern bislang zur Verfügung stand, könne man im „Nebel des Krieges klarer sehen“. So ließen sich beispielsweise Kollateralschäden vermeiden.

Die Algorithmen könnten in einer Gefechtssituation allerdings keine Entscheidung abnehmen, sondern lediglich Empfehlungen geben. Ein Szenario, wie das der autonomen Killerdrohnen – reißerisch inszeniert von der KI-Gegnern des Future of Life Institutes – scheint Funke zu ärgern. Solche „Horrorszenarien“ würden dem Ruf der Technologien schaden.

 

Die Voraussetzungen sind klar

Brigadegeneral Christian Leitges vom Kommando Luftwaffe sieht KI für die Streitkräfte ohnehin als alternativlos. Vor allem, weil andere Staaten nicht stillstehen. „Wir dürfen uns bei neuen Technologien nicht abhängen lassen“, so Leitges.

Ähnlich sieht das Oberst i. G. Frank Pieper, Chief Digital Officer des Heeres. Seiner Ansicht nach ließen sich mithilfe von KI und anderen digitalen Mitteln vor allem die Fähigkeiten der Soldaten verbessern. Pieper weist jedoch auch darauf hin, dass die drei wichtigsten Kriterien für intelligente Systeme in der Bundeswehr noch nicht vollständig erfüllt seien: „In erster Linie brauchen wir Datenqualität“, sagt der CDO, sonst könnten die Systeme keine zuverlässigen Entscheidungen treffen. Ebenso wichtig sei die Transparenz der entwickelten Algorithmen, deren Analyseschritte nachvollziehbar bleiben müssten. Und: „Wir brauchen eine Ownership, müssen die Algorithmen also selbst entwickeln.“

Im Einsatz würde KI dann an vielen Stellen benötigt: „Die Sensor-to-Shooter-Wirkungskette erfordert beispielsweise ein Targeting in Millisekunden.“ Aber auch die zunehmend komplexen Planungsprozesse bräuchten intelligente, transparente Software für die Entscheidungsunterstützung. „Das Ziel ist es, verteilt zu operieren: weniger Kräfte auf größerem Raum mit mehr Effektivität.“

 

Entscheidend für alle Teilstreitkräfte und die Verwaltung

Auch aus logistischer Sicht sind die neuen Technologien wichtig, sagt Oberleutnant Stephan Kurjahn von der Streitkräftebasis. „Für uns ist das Zukunftsbild der Logistik 4.0, dass wir just-in-time bedarfsorientiert reagieren können. Jedes Fahrzeug übermittelt beispielsweise eigenständig, falls ein Ersatzteil benötigt wird oder wie hoch der Kraftstoffverbrauch gerade ist.“ Auf Grundlage solcher und zahlreicher weiterer Daten sowie mithilfe intelligenter, prädiktiver Analysen ließe sich die Logistikplanung erheblich präziser an den entstehenden Bedarf angleichen. So könne man statt weniger großer logistischer Einrichtungen diverse kleinere Einheiten aufbauen, die nur mit jenen Versorgungsgütern ausgestattet sind, die tatsächlich benötigt werden. Ein attraktives Ziel für Feinde würde damit wegfallen.

Die Anforderungen steigen auch bei der Marine, insbesondere bei der maritimen Luftverteidigung. „Unsere Reaktionszeiten werden wesentlich kürzer“, so Flottenadmiral Ulrich Reineke. „Die Frage ist also: Wie werden wir schneller?“ Daran arbeitet die deutsche Marine derzeit gemeinsam mit 12 weiteren Nationen. Es geht um den Aufbau digitaler, intelligenter Prozesse, um eine effektivere Datenverarbeitung und Automatisierung. Es sind genau jene Themen, die auch die BWI vorantreibt. Bislang vorrangig bei der administrativen IT der Bundeswehr.

 

BWI unterstützt KI-Vorstoß der Bundeswehr

„Die Datenverarbeitung ist keine Raketenwissenschaft, das machen wir seit Jahrzehnten“, sagt BWI-CEO Martin Kaloudis. Dennoch sei es entscheidend, überall die nötige Basisinfrastruktur bereitzustellen – beginnend bei der Umstellung von ISDN- auf IP-Anlagen über die Groupware-Einführung bis zum Ausbau zentraler Rechenzentren.

Automatisierung wiederum zielt darauf ab, analoge Prozesse durch „relativ“ innovative Prozesse abzulösen. Relativ, weil es nicht um das völlige Neuerfinden bewährter Strukturen geht. Technologien wie Blockchain könnten jedoch in spezifischen Bereichen sehr hilfreich sein, sagte Kaloudis.

Die neuen digitalen Prozesse erfordern besondere Weitsicht – gerade, weil sie so disruptiv sein können. „Denken Sie an autonome Systeme in Gefechtssituationen. Da stellen sich neue Fragen, beispielweise moralischer Natur, die noch nicht ausreichend beleuchtet wurden.“

Die BWI will die Bundeswehr für den Einsatz von künstlicher Intelligenz befähigen. Dafür sei es wichtig, auf die richtigen Themen zu setzen. Kaloudis sieht dabei eine zentrale Frage im Vordergrund: „Was müssen wir tun, um schnell einsatzfähig zu werden?“

Künftig will die BWI mit dem Cyber Innovation Hub beispielsweise stärker Innovationen nicht nur identifizieren, sondern zügig und bezahlbar in Betrieb nehmen. Ein wichtiger Schritt, damit auch intelligente Systeme einen zivilen und militärischen Nutzen erzielen können.

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