
In Deutschland gibt es immer mehr ältere und chronisch kranke Patienten. Medizinische Innovationen sind teurer denn je. Und wer auf dem Land lebt, hat es oft schwer, einen Facharzt zu finden. Digitalisierung kann dabei helfen, die Probleme im Gesundheitswesen zu lösen. Im zivilen Bereich gibt es dafür die E-Health-Initiative, im militärischen das Pilotprogramm zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr.
Normalerweise kennt der Hausarzt die Krankengeschichte seiner Patienten. Doch was ist, wenn der Patient in eine andere Stadt umzieht? Oder nur der Spezialist weiterhelfen kann? Nicht nur in solchen Situationen wäre es hilfreich, wenn alle Ärzte bundesweit die vollständige Krankenakte schnell und ortsunabhängig einsehen könnten – inklusive Laborwerten, Impfungen, Röntgenaufnahmen und Medikationsplänen. Mit digitalen Technologien – wie etwa der elektronischen Patientenakte – und telemedizinischen Anwendungen zur Fernbetreuung treibt der Bund die Digitalisierung voran. Hierfür braucht es benutzerfreundliche Apps und interoperable IT-Systeme im gesamten Gesundheitswesen. Darüber hinaus müssen höchste Datenschutz- und Sicherheitsstandards erfüllt werden. Um all das voranzutreiben, gibt es im zivilen Bereich die E-Health-Initiative, im militärischen das Pilotprogramm zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr.
Health Innovation Hub treibt bundesweite Digitalmedizin voran
Damit innovative Digitaltechnologien schnell auf ihren Nutzen im medizinischen Umfeld überprüft werden können, hat das Bundesgesundheitsministerium den „Health Innovation Hub – Gesundheit neu denken“ gegründet. Das elfköpfige Gremium aus Healthcare-Experten soll das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfähig machen. Im April wurde der Hub in Berlin eröffnet. Als IT-Dienstleister des Bundes ist die BWI Träger des dreijährigen Projekts.
Auch der zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr muss sich zunehmend digitalisieren, um mit den rasanten Innovationszyklen fachlicher Entwicklungen im zivilen Bereich mithalten zu können, denn er ist tief in das deutsche Gesundheitswesen integriert. Beispielsweise werden in Bundeswehrkrankenhäusern neben Soldaten größtenteils Zivilpatienten behandelt. Ein bruchfreier Datenaustausch ist hier unerlässlich – in der stationären wie auch ambulanten Behandlung, etwa bei niedergelassenen Ärzten.
Auch die enormen Datenmengen in unterschiedlichsten Formaten, der Aggregation, Verarbeitung und Nutzbarmachung, verlangen nach Antworten. Die heutige Medizin erfasst deutlich größere Datenmengen als noch vor zehn Jahren. „Medical Big Data“ ist eine Herausforderung, bietet aber auch erhebliches Potenzial: Durch die Analyse von Daten – etwa per künstlicher Intelligenz – lassen sich beispielsweise präventive Maßnahmen unterstützen und neue Therapieansätze entwickeln.
„Die zukünftige Medizin wird sich viel mehr an den wahren Bedürfnissen des Patienten orientieren. Die Digitalisierung sorgt dafür, dass er im Zusammenspiel mit seinem wissenden Arzt an Erhalt und Wiederherstellung seiner Gesundheit aktiv beteiligt wird.“
Prof. Dr. med. Jörg Debatin, Leiter Health Innovation HubMission digital: Sanitätsdienst als Vorreiter in der Bundeswehr
Doch wie gelingt die Digitalisierung im Sanitätsdienst? Das Fundament soll das Programm zur „Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr“ (DigiGesVersBw) legen, das das Verteidigungsministerium Anfang 2018 gestartet hat. Das Pilotvorhaben stellt einen Paradigmenwechsel im Verteidigungsressort dar: weg von vielen IT-Einzellösungen, hin zu einer ganzheitlichen Architektur. Der Sanitätsdienst nimmt damit in der Bundeswehr eine Vorreiterrolle für die Digitalisierung ein.
Eine Taskforce, die aus dem Bundesamt für Ausrüstung, Infrastruktur und Nutzung der Bundeswehr, dem Kommando Sanitätsdienst und der BWI besteht, setzt das Programm um. Bis Ende 2020 ist ein umfangreicher Auftrag umzusetzen: Aufbauend auf einer detaillierten Erhebung und Modellierung von zugrundeliegenden Geschäftsprozessen und der bestehenden IT-Systemlandschaft in der Gesundheitsversorgung soll eine übergreifende, ganzheitliche IT-Systemarchitektur erarbeitet werden. Sie wird als strategischer Ordnungsrahmen Andockpunkte auch für zukünftige IT-Projekte definieren.
„Die Gestaltung der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr ist die Herausforderung der Stunde.“
Generaloberstabsarzt Dr. med. Ulrich Baumgärtner, Inspekteur Sanitätsdienst der BundeswehrKonzeptioneller Rahmen und erste Meilensteine
Zunächst hat die BWI mit den beteiligten Stellen alle IT-Einzellösungen und Prozesse im Sanitätsdienst erfasst, analysiert und bewertet. Das Ergebnis ist ein modellhafter Gesamtüberblick über das hochkomplexe System der bundeswehreigenen Gesundheitsversorgung. Darauf aufbauend wird bis 2020 eine auf den zentralen Sanitätsdienst zugeschnittene ganzheitliche IT-Architektur entwickelt. Sie liefert dann auch den konzeptionellen Rahmen für die Digitalisierung weiterer Organisationsbereiche der Bundeswehr.
Parallel dazu treiben BWI und Bundeswehr wichtige Infrastrukturprojekte voran. Ein Beispiel ist „MedSAN“ (Medical Storage Area Network). Jedes MedSAN-System besteht aus einem Netzwerk für die Datenspeicherung und -übertragung sowie einer hochleistungsfähigen Serverfarm. Seit November 2018 ist im Bundeswehrkrankenhaus Berlin das erste MedSAN-System erfolgreich im Einsatz. Bis April folgte die Ausstattung der anderen Krankenhäuser sowie der Sanitätsakademie in München. Der Fernzugriff auf medizinische Daten erfordert eine hohe Daten- und Ausfallsicherheit sowie schnelle Übertragungsgeschwindigkeiten. Die MedSAN-Lösung der BWI erfüllt diese Anforderungen und bildet das Herzstück der Sanitäts-IT.
Zentraler Datenpool und Schnittstelle zwischen verschiedenen IT-Systemen und Netzwerken wird das Informationsmanagementsystem HIMS (Health Information Management System). Es ist ebenfalls Bestandteil des Programms und gilt als Kernelement für die Digitalisierung der bundeswehreigenen Gesundheitsversorgung. Es bündelt und verarbeitet alle Gesundheitsdaten und stellt aggregierte Informationen bedarfsgerecht bereit, beispielsweise in Form der elektronischen Gesundheitsakte der Bundeswehr. Das System muss dabei nicht nur verlässliche Übergänge zum zivilen Gesundheitswesen schaffen, sondern auch höchsten Sicherheits- und Datenschutzstandards genügen.
Wie geht es weiter?
Mit dem Pilotprogramm zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr schaffen die BWI und ihre Partner einen Rahmen, an dem sich weitere Digitalisierungsvorhaben orientieren können. Ab 2021 wird die neue IT-Architektur in der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr implementiert. Dann wird es für Patienten keine Rolle mehr spielen, wo und von welchen Ärzten sie behandelt werden – sowohl Bundeswehrkrankenhäusern als auch zivilen Kliniken und Arztpraxen lägen die Gesundheitsdaten aller Patienten schließlich elektronisch vor.
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