Bereich Military IT: Was steckt hinter der militärischen IT der BWI?© BWI GmbH

Bereich Military IT: Was steckt hinter der militärischen IT der BWI?

4 min
28. September 2020

Seit ihrer Gründung 2006 war die BWI ausschließlich für die nichtmilitärische IT der Bundeswehr zuständig. Offiziell änderte sich das 2019, als die Business Unit Military IT (BU Mil) unter der Führung von Oberstleutnant Uwe Reinhardt entstand.

Im Interview erzählt der 50-Jährige, wie die Arbeit seines Bereichs aussieht. Und: Warum sich ehemalige Soldaten hier wie zu Hause fühlen.  

Herr Reinhardt, die BWI übernimmt in den letzten Jahren neben der administrativen und logistischen Bundeswehr-IT auch immer mehr militärische IT-Aufgaben. Organisatorisch wurde daraus im Oktober 2019 ein neuer Geschäftsbereich: Military IT. Woran arbeitet Ihre Einheit?

Unsere wesentliche Aufgabe ist es, der Bundeswehr die nötige Informations- und Kommunikationstechnologie für die Führung ihrer Streitkräfte bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass diese jederzeit absolut zuverlässig funktioniert. Aktuell sind wir etwa maßgeblich am Programm „Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO)“ beteiligt. Hier implementieren wir derzeit ein Battle Management System für die NATO-Eingreiftruppe „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF). Wir kümmern uns also um die Bereitstellung des Systems und bieten begleitende Services an. 

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von den nicht-militärischen Einsatzgebieten der BWI?

Beide Bereiche stellen IT für die Bundeswehr bereit und betreiben sie. Dazu gehören auch Transformationsaufgaben, bei denen die bestehende IT in möglichst standardisierte Lösungen überführt werden, die einfacher zu pflegen sind. Allerdings haben wir es im Bereich oftmals mit Systemen und Daten zu tun, die als geheim oder als Verschlusssache deklariert sind. Da gelten völlig andere Vorgaben. Wir müssen beispielsweise Sperrzonen für Administratoren einrichten – also besonders geschützte Umgebungen innerhalb der IT-Strukturen. Unter anderem betreiben wir das System NuKomBw, über das neben der weniger sensiblen auch die vertrauliche Militärkommunikation läuft. Geheime Nachrichten werden über ein speziell geschütztes Netz und abstrahlgeprüfte Computer versendet. Wir garantieren die Zustellung über eine vierfach georedundant ausgelegte Infrastruktur und wir bieten ein Servicelevel von 100 Prozent im 24-Stunden-Schichtbetrieb.    

Sie sind auch direkt an militärischen Einsätzen beteiligt. Wie sieht das konkret aus?

Ein Teilbereich der Military IT ist Mission & Training. Die Kollegen dort begleiten Übungen und Einsätze – in Deutschland, aber unter anderem auch im Kosovo. Weitere Einsatzbegleitungen, wie etwa im Niger um den Einsatz in Mali zu unterstützen. Wir gehen dahin, wo man auch mal schmutzige Schuhe bekommt. Also abseits bestens ausgebauter Büros, mitten ins Feld. Wir sind bereits in Gesprächen für eine Unterstützung in Litauen für den Einsatz der NATO Response Force, planen also Kollegen vor Ort, die Netzwerke hochziehen und einen Helpdesk einrichten. Unsere Mitarbeiter sind natürlich keine Kombattanten, nehmen also nicht an Gefechten teil. Dennoch ist es wichtig, die militärischen Prozeduren zu kennen. Es gibt immer wieder Sicherheitsüberprüfungen des Personals. Englisch ist als Amtssprache Pflicht. Das ist also durchaus ein anderes Anforderungsprofil als beim klassischen Field Service. An einem Tag setzt man Rechner auf – am nächsten errichtet man einen LTE-Mast mitten im Nirgendwo, damit die Soldaten in Übungen in Verbindung bleiben. Es ist ein enorm vielfältiger und spannender Job. 

Ihre Laufbahn bei der Bundeswehr war ebenfalls abwechslungsreich und fordernd. Und doch hat es Sie schließlich zur BWI gezogen. Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Was wir hier tun, ist oftmals Pionierarbeit. Technisch, organisatorisch: Da darf einfach nichts schiefgehen. Bei der Ausstattung des Kräftedispositivs VJTF beispielsweise gibt es zeitlich keinen Spielraum. Bis Januar 2023 muss das Battle Management System für Gefechtsstände und Fahrzeuge stehen und unser gemeinsames Betriebsmodell mit dem Heer final entwickelt sein. Tatsächlich muss alles schon ein Jahr vorher laufen, dann stehen die Tests an und die Nutzer werden geschult. Der Projektplan ist stramm und wir müssen die Deadline unter allen Umständen halten. Das ist nicht nur für die BWI wichtig, sondern für Deutschland, das sich gegenüber der NATO verpflichtet hat. Diese Verantwortung zu tragen, hat einen besonderen Reiz. 

„Was wir hier tun, ist oftmals Pionierarbeit. Technisch, organisatorisch: Da darf einfach nichts schiefgehen.“

Oberstleutnant Uwe Reinhardt

Sie sind Oberstleutnant, waren insgesamt 25 Jahre im aktiven Dienst der Bundeswehr. Wo kommt Ihnen diese Erfahrung heute zugute? 

In allem, was ich tue. Ich war schon während meiner Bundeswehrzeit mit der BWI verbunden. Als junger Hauptmann durfte ich damals das SASPF-Programm mit aufbauen. Und als HERKULES verhandelt wurde, hatte ich gerade eine Verwendung als Assistent des IT-Direktors im BMVg. Beim Afghanistan-Einsatz war ich für die Sicherstellung des IT-Betriebs für alle deutschen Truppenteile zuständig. Von der Strategie über die Planung bis zum Betrieb hat sich IT durch meine Laufbahn gezogen und diese Erfahrungen kann ich heute weiterhin nutzen. Irgendwann hatte ich bei der Bundeswehr meine selbstgesteckten Ziele erreicht und ich wollte den nächsten Schritt gehen. Meinen Status als Soldat wollte ich aber nicht aufgeben. Die BWI hat ideal gepasst – zu dem, was ich tun wollte, zu meinem Wissen, zu meiner Erfahrung. Seit ich 2013 als beurlaubter Soldat einstieg, konnte ich viele verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen. 

Welche Rollen und Aufgaben haben Sie seit Ihrem Wechsel zur BWI ausgeführt? 

Zunächst war ich im Account Management quasi die Schnittstelle zwischen der Bundeswehr und ihrem IT-Dienstleister. In dieser Rolle habe ich auch das Konzept erstellt, das die Rückgabe der BWI von Siemens und IBM an den Bund regelte. Nach dem Ende des HERKULES-Projekts war ich an der Erstellung des neuen Leistungsvertrags beteiligt. Schließlich ging es nach dem Abschluss der IT-Konsolidierung bei der Bundeswehr darum, weitere Projekte zu gewinnen. Als Programmleiter im Delivery Project Center Bundeswehr war ich dann für die Umsetzung der funktionalen Leistungsbeschreibung zuständig, um diese neuen Projekte bei der BWI aufzusetzen. Alles Erfahrungen, von denen ich heute profitiere und die meine Zeit bei der Bundeswehr passend ergänzt haben.

Das klingt, als würden sich IT-begeisterte Soldaten bei der BWI wie zu Hause fühlen. 

Definitiv. Bundeswehr-Wissen ist ein signifikanter Vorteil in unserem Job. Im Bereich Military IT haben wir generell einen hohen Anteil an Zeitsoldaten – einfach, weil sie hier ihre über Jahre geschärften Fähigkeiten voll einbringen können. Der Unterschied ist, dass man bei der BWI seine eigene Laufbahn wesentlich mehr selbst in der Hand hat und stärker die eigenen Interessen verfolgen kann. Berufserfahrene können dann direkt einsteigen, alternativ kann man sich über den Berufsförderungsdienst zusätzlich ausbilden lassen. Soldaten in der Orientierungsphase können sich sogar vom Dienst freistellen lassen und zunächst ein Praktikum bei uns absolvieren.
Wer bei uns arbeiten möchte, muss aber nicht zwangsläufig beim Bund gewesen sein. Man muss auch kein IT-Experte sein, sondern kann sich ebenso gut planerisch und organisatorisch einbringen. In jedem Fall braucht man eine intrinsische Motivation, etwas für sein Land tun zu wollen. 

„Bundeswehr-Wissen ist ein signifikanter Vorteil in unserem Job.“

Oberstleutnant Uwe Reinhardt

Der Bereich Military IT ist noch kein Jahr alt, aber schnell gewachsen. Wie geht es weiter?

Heute arbeiten bei uns rund 110 Kollegen, bis Ende des Jahres wollen wir auf 150 anwachsen. Es geht aber gerade erst los – der Bereich wächst enorm. Derzeit bauen wir beispielsweise das Auslandsgeschäft komplett neu auf, das gab es bei der BWI bislang nicht. Das heißt, wir statten langfristig die Betriebsstätten der Bundeswehr in 86 Ländern überall auf der Welt mit IT aus. Wir starten damit jetzt in Belgien, Frankreich und der Niederlande. Hier geht es um sukzessive Rollouts vom Arbeitsplatzrechner bis zur Serverfarm. Und es steht noch ein weiteres bedeutsames Projekt in den Startlöchern: Als Projektleitung werden wir die IT-Anforderungen an die Landes- und Bündnisverteidigung mitgestalten. Mehr darf ich dazu derzeit noch nicht verraten, aber man merkt schon: Wir arbeiten hier an der Zukunft der Bundeswehr.

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